Neuer Grossratspräsident Appenzell Innerrhoden - Die Zusammenarbeit steht für Sepp Neff über allem
Nein, auf einer seiner Maschinen, die für die rationelle Bewirtschaftung des Betriebs unumgänglich sind, will er sich nicht fotografieren lassen. Und der Bläss soll nicht aufs Bild, auch wenn er den Hof vorbildlich hütet. Eher in der Küche auf der Bank am Familientisch. Lieber aber draussen, mit dem Blick 'gen Nordosten, über die Landschaft des Bezirks Schlatt-Haslen, dessen Hauptmann er seit 2012 ist. So soll es sein, hoch über dem Weiler Enggenhütten, am auslaufenden Nord - hang der Hundwiler Höhi – mit Sicht auf sein tiefer liegendes Bauernhaus in der «oberen Rüti» – dort wo die Strasse seine ursprünglich knapp 13,8, nach dem Erwerb der «unteren Rüti» fast 20 Hektaren grosse Liegenschaft Richtung Rütisitz verlässt, da gefällt es Sepp Neff-Fust. Und da entsteht die Aufnahme, die diesen Artikel illustrieren soll.
Frisch geduscht – eben wurde noch das letzte Fuder Emd eingeführt – steht Sepp Neff mit wachen Augen Red’ und Antwort. Der Zeiger rückt gegen 16 Uhr. Seit fast zwölf Stunden schon ist der vierfache Familienvater - er hat mit seiner Frau Lucia zwei «Taazede» – auf den Beinen. Ja, es gebe manchmal schon Situationen, in denen es schwierig sei, die naturabhän- gige Landwirtschaft mit der Politik unter einen Hut zu bringen. Er wisse das und verheimlicht nicht, dass es schon Situationen gab, in denen nicht verstanden wurde, wenn ihm das Wohl seiner Tiere wichtiger als die Politik gewesen sei. «Aber bei uns ist das halt so: die Kühe sind uns wahnsinnig wichtig, man könnte fast sagen, dass sie Familienanschluss haben», meint Neff schmunzelnd. Die Geburt eines Kalbes geht «Bäbelers Sepp», so sein Spitzname, allem anderen voran. Man nimmt ihm, dem am Weihnachtstag 1965 geborenen Bauernsohn, die Liebe zu seinen Tieren ab. Sie wirkt nicht nur echt, sie ist es.
Aus einer politisierenden Familie stammt Sepp Neff nicht. Wohl wurde vor den Lands- und den Bezirksgemeinden darüber diskutiert, wer bei Wahlen Vaters Stimme erhalten und wie bei Sachvorlagen das Mehr ausfallen sollte. Erst in der Lehrzeit bei Peter Schlauri senior in Gossau und danach bei Erich Koller in Flawil war die Landwirtschaftspolitik fast täglich Gesprächsthema am Mittagstisch. So war es für ihn nach seiner Rückkehr nach Innerrhoden fast selbstverständlich, dass er nach entsprechenden Anfra- gen für die Mitarbeit in den Vorständen des Milchsammelstellen-, oder des Bauernverbandes, nicht Nein sagen konnte. So rutschte er sukzessive in die Politik und wurde im 2005, 14 Jahre nachdem er den elterlichen Betieb übernommen hatte, als Vertreter der Bezirks Schlatt- Haslen in den Grossen Rat gewählt.
Ein ordentliches politisches Pensum bewältigt Sepp Neff, besonders seit er auch noch im Bezirksrat wirkt. «Nein, das Aufstehen machte und macht mir nie Probleme», betont er. Klar, wenn die politische Arbeit Abendsitzungen in die Agenda bringt, dann lege er sich schon manchmal vormittags für ein Nickerchen auf die Bank in der Küche. Just in diesem Zusammenhang betont Neff, dass ohne die Unterstützung seiner aus Dreien bei Mosnang stammenden Frau Lucia das aktuelle Programm nicht zu bewältigen wäre. Auch auf Nachbarn können die beiden zählen.
Auch wenn er erst seit gestern für ein Jahr als Grossrats-Präsident amtet: Es gab bereits Einladungen, die er im Zusammenhang mit dem Amt erhielt. So war Neff zum Beispiel an der Wahlfeier des St.Galler Kantonsratspräsidenten Ivan Louis. Er genoss den Gedankenaustausch mit dem jungen Toggenburger und die beiden stellten fest, dass sie teils iden- tische Ansichten haben und sich bestens verstehen. Louis habe ihn gar aus Spass gefragt: «Wollen wir fusionieren?» Trotz der gelungenen Feier weiss Neff, dass er nicht alle Einladungen annehmen wird. «Da muss mich dann auch manchmal mein Vize, der «Chitzelers Franz» vertreten», betont der 51-Jährige. Nicht vertreten lassen wird er sich aber bei der geplanten zweitägigen Reise des Ratsbüros ins Wallis. Da sollen auch die Partnerinnen und Partner mit dabei sein. Und die Kosten werden dabei für den Kanton nicht höher ausfallen, als wenn ein Nachbarkanton besucht würde, verspricht der Neugewählte.
Sepp Neff freut sich bereits jetzt auf die kommende Landsgemeinde. Nicht, weil sein Amtsjahr sich dannzumal schon bald dem Ende zuneigt, sondern weil er zwei Personen bestimmen darf, die als Gäste des Kantons am Anlass teilnehmen dürfen. Ohne Namen zu nennen, lässt er Durchblicken, dass er Leute seines Standes dafür auswählen werde. A propos «wichtiger Anlass»: Auch auf die Gewerbemesse «A17» freut sich der Bauer von der oberen Rüti.
Auch wenn Sepp Neff nun ein Jahr lang auf Voten im Grossen Rat verzichten und sich ausschliesslich auf die Führung der Sitzungen zu konzentrieren hat, meint er, dass man es bestimmt merken werde, dass ein Landwirt Präsident sei. Einerseits böten ihm die Ansprachen − da werde wohl schon «de Buur vörecho» – an den Sessionen die Möglichkeit, sich zu äussern. Dann aber möchte er verschiedentlich darauf hinweisen, dass das «Wirtschaftswunder Innerrhoden» nur funktioniert, wenn Landwirtschaft, Gewerbe und Arbeitnehmer zusammenspannen. Dies sei für den Kanton und die Gesellschaft von grosser Bedeutung. Um dies zu illustrieren werden die Mitglieder des Grossen Rates auf Anregung von Sepp Neff nach der Session vom 4. Dezember «Beck-Böhli» einen Besuch abstatten und dort «e Tafle Vögl» aus Innerrhoder Dinkelmehl backen. «Der Innerrhoder Grosse Rat ist sehr diszipliniert und hat kein Parteiengeplänkel». Er sei darum effizient. Dies sei mit ein Grund, dass er nach jener Session für die Ratsmitglieder ein Gemeinschaftserlebnis anhängen wolle.
Ja, die Arbeit im Bezirksrat und im Grossen Rat, die Vorbereitungen der Sessionen, dies alles beansprucht Sepp Neff. Trotzdem meint er, dass das Engagement für die Öffentlichkeit für ihn etwas Selbstverständliches ist. Aber mit Blick auf die Schwierigkeit, Leute für politische Aufgaben zu finden, hält er fest: «Können und wollen sind zweierlei». Dies gilt für ihn auch bei den Aufgaben, die eine Herausforderung für den Kanton darstellen. So geht Sepp Neff davon aus, dass das kantonale Spital in Appenzell nicht nur in seinem Amtsjahr die Traktandenliste prägen wird, sondern für die Zukunft des Standortes Appenzell enorm wichtig ist. «Die Gesundheitsversorgung vor Ort ist nicht nur für Patienten und deren Besucher, sondern auch für die Volkswirtschaft wichtig.» Ein Ja zu einem Spitalneubau sei eine bedeutende Investition für die Zukunft, den Zeitraum der nächsten 30 bis 40 Jahre.
Für Innerrhoden hofft Sepp Neff, dass der Tourismus den aktuellen Stand halten kann. Und es müsse die Aufgabe der öffentlichen Hand sein, die Infrastruktur so zu pflegen, dass die Landschaft in Ordnung bleibe. Das koste zwar etwas, man wisse aber, wofür die Investitionen dienen. Im Bereich der Bildung sei man in Innerrhoden gut «aufgestellt», auch wenn das Gymnasiums längerfristig als Bildungsstätte überdenkt werden müsse. Obwohl eine gute Ausbildung wichtig sei, betont Sepp Neff, dass in der Schule Kinder mit praktischen Fähigkeiten nicht vernachlässigt werden dürften, denn nicht jede Person brauche eine Matura. Für die Landwirtschaft hofft Neff, dass der administrative Aufwand nicht weiter steigt. Beim Bauland und den Streusiedlungen habe Innerrhoden eine vorbildliche Situation. Damit es nicht zu Auszonungen kommen müsse, hofft er, dass bezirksübergreifende Lösungen gefunden werden. Sepp Neff geht davon aus, dass der Bedarf die Situation regelt: «Ich kann auch keinen Kuhstall bauen, wenn ich nicht weiss, ob ich einen brauche!»
Text & Bild: App. Volksfreund, Hans Ulrich Gantenbein